KZ-Gedenkstätte im Schloss Lichtenburg, Prettin
Feinste Renaissance und dunkelste deutsche Geschichte treffen am äußersten Zipfel Sachsen-Anhalts aufeinander: Die Lichtenburg, eine dreiflügelige Schlossanlage in der fruchtbaren Elbniederung Prettins, entstand ab 1565 auf altem Klosterareal als Residenz und Witwensitz des Kurfürstentums Sachsen. Ablegen und leer wurde sie 1812 kursächsisches Gefängnis, später preußisches Zuchthaus. Ab 1933 richteten die Nationalsozialisten in der weitgehend leerstehenden Lichtenburg ein Konzentrationslager ein. Waren es zunächst bis 1937 Männer, sperrte man hier bis 1945 Frauen ein; ab 1939 war es Außenlager des KZ Sachsenhausen. Die Lichtenburg, das schöne Schloss im weiten Land, wurde so zu einem Ort tausendfachen Leidens, der Pein, der Demütigung und nicht zuletzt des Todes ein Ort der bösen Zeit. Mit Beschluss des Landtages wurde die Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt im Jahr 2006 Träger des Gedenkortes, der bereits seit 1965 eingerichtet worden war. Für die neue Dauerausstellung, die Archiv-, Forschungs- und Bildungsarbeit sowie für einen Besucherempfang wurde nun ein ehemaliges Werkstatt- und späteres landwirtschaftliches Gebäude innerhalb des Schlossareals, ursprünglich aus dem Jahr 1908, behutsam aus- und umgebaut sowie charakteristische Zitate des Erscheinungsbildes aus den 1930er Jahren wie beispielsweise die Schleppgauben wiederhergestellt. Im Innern sind die beiden Ausstellungsebenen zurückhaltend in hellem Grau und Weiß gestaltet und dabei gleichzeitig sparsam wie sinnvoll möbliert maßgeblich das zentrale Element: ein ovaler großer Informationstisch mit interaktivem, dreidimensionalem Modell der Schlossanlage. Es steht zugleich im Fokus eines runden Deckenausschnitts, der nach oben und unten Orientierung fordert. Die geben auch die großen, bodentiefen Fenster anstelle der ehemaligen Toröffnungen. Durchs Glas tritt so das Schloss samt großem Hof als realer Ort subtiler Gefahr ins Bewusstsein. Der Entwurf setzt nicht auf Brüche und Kontraste, sondern auf die Selbstverständlichkeit, dass neue Hinzufügungen im Alten nicht inszeniert werden müssen, schätzt die Jury ein und anerkennt: Diese Entspanntheit des Weiterbauens am Bestand ist die richtige Strategie an diesem Ort.
Standort
Prettiner Landstraße 4, Prettin – Öffnen mit Google Maps
Bauherr/in
Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, Magdeburg
Architekten
dietzsch & weber architekten bda, Halle (Saale) mit Ingenieurbüro Kowalski und Irmisch, Halle (Saale)
Preise
Architekturpreis des Landes Sachsen-Anhalt 2013, Engere Wahl
Fertigstellung
2011